“Kanonen statt Butter – Grüne Krisenpolitik”

Gastkommentar von Fabian Lehr

Vizekanzler Werner Kogler (Jahresgehalt: 290.000€) schließt eine Deckelung der Energiepreise aus mit der lapidaren Bemerkung, auf nationaler Ebene bringe das sowieso nichts. Koglers Bemerkungen werfen erneut ein Schlaglicht auf den arbeiterInnen- und armenfeindlichen Charakter der Regierung sowie auf die elitäre Position der Grünen, die die ökonomischen Sorgen der normalen Bevölkerung nicht interessieren. Sorgen, die in diesen Monaten gerade erdrückende, für unzählige Haushalte existenzbedrohende Ausmaße annehmen. Die Inflationsrate in Österreich nähert sich jetzt schon offiziell 9% an, und bei vielen notwendigen Alltagsprodukten sind die Preissteigerungen noch viel extremer. Wer regelmäßig im Supermarkt einkauft statt sein Hauspersonal einkaufen zu lassen wie grüne SpitzenverdienerInnen, weiß, wie einschneidend die Preissteigerungen für Grundnahrungsmittel und besonders für Obst und Gemüse sind – sich gesund zu ernähren wird für immer mehr einkommenschwache Familien kaum noch leistbar. Dazu kommt die Explosion der Energiepreise, die einen düsteren, furchtbaren Winter ankündigt. Was wir momentan in der ganzen EU erleben ist der schärfste Einbruch des Realeinkommens arbeitender und armer Menschen seit Generationen. Und möglicherweise ist das alles erst der Anfang. Wenn der Krieg in der Ukraine und der damit einhergehende Handelskrieg zwischen Russland und der EU noch monate- oder gar jahrelang weitergehen sollte, dürfte die Inflationsrate sich bis 2023 selbst nach Schätzung konservativer bürgerlicher WirtschaftsforscherInnen noch einmal verdoppeln. Ganz zu schweigen von der Entwicklung der Heizkosten, wenn der bisher erst moderat gedrosselte Import von russischem Öl und Gas tatsächlich auf Null fallen sollte. Aus der Wirtschaftskrise droht eine humanitäre Katastrophe zu werden, wenn im Winter Millionen geringverdienender europäischer Haushalte sich Heizen und vernünftige Ernährung nicht mehr leisten können.

Bürgerliche PolitikerInnen in ganz Europa sprechen über diese anrollende Katastrophe durchweg wie über ein Naturereignis: Bedauerlich, aber was soll der Mensch dagegen tun? Nichts könnte aber falscher sein als diese Vorstellung von der Schicksalsgegebenheit der sozialen Krise. Zunächst war und ist es eine bewusste Entscheidung der EU-Staaten, als de facto-Kriegspartei in den Ukrainekonflikt einzugreifen einerseits durch historisch fast beispiellose Waffenlieferungen, andererseits durch einen massiven Wirtschaftskrieg mit Russland. Ein großer Teil der aktuell explodierenden Inflation ist direktes Resultat des Sanktionsregimes, das die russische Rüstungsproduktion nur sehr wenig trifft, dafür aber zu einer massiven Verarmung der eigenen Bevölkerung in der EU führt. Auch die österreichische Regierung hat sich bewusst entschieden, diesen Kurs zu unterstützen und auch jetzt an ihm festzuhalten, wo sich einerseits die geringe Effizienz der Sanktionen gegen die russische Kriegsmaschinerie, andererseits aber ihre verheerende Wirkung auf die eigene Bevölkerung zeigt. Dass Österreich laut Verfassung neutral ist, scheint sowieso keine Relevanz mehr zu haben für die bedingungslose Bindung der Regierung an den westlichen imperialistischen Block.

Andererseits hat man sich in der österreichischen Regierung entschieden, die verfügbaren finanziellen Ressourcen nicht etwa für ein massives Programm zum Erhalt der Massenkaufkraft zu nutzen – sondern für Aufrüstung. Zig Milliarden Euro für eine absurde Verdopplung des österreichischen Militärbudgets? Kein Problem. Deckelung der Strom- und Heizkosten, Preisregulation für Lebensmittel, Senkung von Massenkonsumsteuern oder Hilfszahlungen für ärmere Haushalte in nennenswertem Umfang? Gott behüte, unmöglich! Nicht einmal die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel wird ausgesetzt in der rapidesten Teuerung seit Generationen. Einmalzahlungen von ein paar hundert Euro sollen es stattdessen richten – ein Tropfen auf den heißen Stein in einer Situation, in der Wirtschaftsforschungsinstitute vorrechnen, dass die Strom- und Heizkosten für einen durchschnittlichen Einpersonenhaushalt in diesem Jahr um mehrere tausend Euro steigen könnten.
Mehr Geld für Waffen, mehr Geld für Konzerne, weniger Geld für die Masse der arbeitenden und armen Bevölkerung – das ist das Programm dieser Regierung in der Krise. Irgendeine “soziale Handschrift durch grüne Regierungsbeteiligung” sucht man vergebens – in der Krise erweisen sich die Grünen endgültig als knallharte, proimperialistische Kapitalistenpartei, die in praktisch nichts einen “progressiveren” politischen Charakter als die ÖVP trägt. Da ist es schon fast eine Randnotiz, dass die Grünen nebenbei auch noch ihre letzten ökologischen Grundsätze über Bord werfen und von der Notwendigkeit einer zeitweisen Rückkehr zur Kohlekraft sprechen, der dreckigsten aller Energiequellen. Österreich hat seine – ohnehin völlig ungenügenden – Klimaziele zwar jetzt schon krachend verfehlt und ist inzwischen einer der einzigen europäischen Staaten mit steigendem Co2-Ausstoß, aber was solls: Für den Sieg unseres imperialistischen Blocks muss die Umwelt eben genauso schwere Opfer bringen wie die österreichische ArbeiterInnenklasse.
Mehr denn je gilt in diesen Tagen: Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten – und ihr üppig dotiertes schwarzes wie grünes politisches Dienstpersonal auch nicht.


Fabian Lehr ist linker Blogger aus Wien, seine Beiträge findet man auf Facebook und Youtube. Neuerdings gibt es Podcasts von Fabian Lehr auch auf Spotify.