Was ist Spekulation?

Bürgermeister Ludwig und die Vertreter von Wien Energie dementieren, dass die Probleme bei Wien Energie irgendetwas mit Spekulation zu tun haben – denn, jetzt bitte nicht lachen, in den „Risikohandbüchern“ sei ein Spekulationsverbot dezidiert festgehalten. Wien Energie müsse – aufgrund der Größe und der Rahmenbedingungen – an der Strombörse tätig sein, dies könne nicht als Spekulation bezeichnet werden.

Versuchen wir uns dem Problem mit ein paar Fragen zu nähern.

# Ist es Spekulation, wenn ich beim Fußball-Match ASV-Hintertupfing gegen FC Liverpool 1.000 Euro auf einen Sieg von Hintertupfing setze?

# Ist es Spekulation, wenn ich im Casino Baden am Roulette-Tisch mein Glück versuche?

# Ist es Spekulation, wenn ein Häuslbauer mittels Fremdwährungskredit versucht seine Kosten zu senken?

Ich gehe davon aus, dass 99 % der LeserInnen bis jetzt 3x mit Ja geantwortet haben.

# Ist es Spekulation, wenn ich Aktien der OMV kaufe?

Anlageberater, Bankenvertreter, Vertreter fast aller politischen Parteien werden sagen, der Kauf von OMV-Aktien oder von Amazon-Aktien kann nicht als Spekulation bezeichnet werden. Ich widerspreche, denn bei jeder Börsenaktivität ist Zweck und Ziel, Gewinn zu lukrieren. Wobei die Entwicklung einer Aktie wesentlich mehr von politischen Rahmenbedingungen und psychologischen Aspekten abhängt als von den Gewinn- und Verlustzahlen des Unternehmens, welche die Aktie auf den Markt gebracht hat. Nicht wenige Aktien steigen und steigen, obwohl frühestens in einigen Jahren mit einem tatsächlichen Gewinn zu rechnen ist – es wird also im wahrsten Sinn des Wortes gewettet.

Spekulation, so auch Dr. Google, “bedeutet allgemein, dass in Aktien, Devisen und andere Wertpapiere investiert wird aus der Erwartung heraus, sie später zu einem veränderten Preis mit Gewinn verkaufen zu können.”

Aber nochmals zurück zu Wien Energie. Barbara Schmidt, Generalsekretärin bei Österreichs Energie, betonte im ORF, dass es „ganz normal“ sei, dass an der Börse ge- und verkauft wird: “So funktioniert der Stromhandel und Markt schon seit 20 Jahren, das ist keine Besonderheit.” Eine Aussage, die Bürgermeister Ludwig sicherlich freut.

Womit wir beim entscheidenden Punkt sind. Erstens: Börsen gibt es zwar schon seit mehreren Jahrhunderten – aber es gab nicht immer Börsen und deren Bedeutung war auch nicht immer so groß wie heute. Zweitens: “So funktioniert der Stromhandel und Markt schon seit 20 Jahren” Ok. Aber muss der “Strommarkt” so funktionieren? Wie war es vor 50 Jahren? Hat es vor 50 Jahren keine Energieversorgung gegeben, hat damals die Energieversorgung nicht funktioniert?

Zu fragen ist: Ist es sinnvoll, Energie, Getreide, Kaffee, Zucker, Baumwolle, Währungen, Wohnraum, ….. an einer Börse zu handeln? Meine Antwort ist klar: NEIN! Und ich vermute, dass 90 Prozent der ÖsterreicherInnen mir beipflichten.

Didi Zach, Landessprecher der KPÖ-Wien